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AutorenbildJuno Peter

Bar-Begegnung mit Fetisch-Fred


Illustration: Pia Zibulski



Vor einer Woche war ich an einer kleinen Fotoausstellung mit Live-Musik. Anouchka Gwen and the Seeds gaben ihre Lieder zum Besten und untermalten den Event mit wunderbaren Klängen. Perfekt für diesen leicht verkaterten Sonntagnachmittag. Ein Lied blieb mir besonders im Gedächtnis: “Black Fetisch”. Anouchka besingt darin, wie sie im Ausgang von Männern aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe fetischisiert wird.

Die ungewollte Fetischisierung des eigenen Körpers– ein Thema, mit dem ich immer wieder konfrontiert werde. In meinem Fall aufgrund meiner Tattoos. Dabei bin ich nicht mal sehr stark tätowiert. Trotzdem werde ich immer wieder aufgrund der Bilder unter meiner Haut gegen meinen Willen sexualisiert und fetischisiert. Wie das abläuft? Let me paint you a picture:


Es ist Wochenende und du beschliesst mit deinen Freund*innen etwas zu unternehmen. Nach längerer Diskussion einigt man sich endlich auf eine Bar, mit der alle zumindest halbwegs zufrieden sind. Man schwingt sich aufs Fahrrad und auf geht’s zum soeben auserkorenen Etablissement. Dort angekommen bemerkt man, dass die Bar völlig überfüllt ist. Doch da man keine Lust hat wieder zu diskutieren, wo man sonst hinsoll, sondern einfach endlich einen Drink möchte, drängt man sich doch noch in die übervolle Bude hinein. Mit “Entschuldigung”, “sorry” und “dörfi schnäll” bahnt man sich mühsamst seinen Weg durch die Menschenmenge Richtung Bar, nur um dort weitere zwanzig Minuten warten zu müssen, bis man endlich bestellen kann. Und so stehe ich also alleine an der Bar und warte auf die Aufmerksamkeit der Barkeeperin um für mich und meine Freund*innen zu bestellen, während diese sich auf die hoffnungslose Suche nach einer freien Ecke begeben.


In diesen Bars geht es meist nicht lange bis irgendein Mann*, nennen wir ihn Fred, sich von meinem einsamen herumstehen aufgefordert fühlt, mich anzuquatschen. Ich scheine ein zum Smalltalk einladendes Gesicht zu haben– Lucky me! Fred kommt also zu mir rüber und wir kommen ins Gespräch. Eigentlich ganz nett, doch bereits im zweiten Satz macht Fred eine anzügliche Bemerkung zu meinen Tattoos. Das Ganze versucht er als Kompliment abzutun. Aber für alle, die es nicht wussten: Kommentare wie “Boah, ich find deinen Style so richtig geil. Ich steh voll auf Frauen wie dich.” und “Geile Tattoos, sind da noch mehr versteckt? Die würd ich gerne mal entdecken. Find ich hot.”, sind keine Komplimente. Dazu kommt noch dieser schleimige Schelmen-Blick, während man von oben bis unten gemustert wird und dieses eklige, “verschmitzte” Lächeln auf den Lippen. Beim blossen Gedanken an diese Typen läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Solche Kommentare sind weder schmeichelhaft noch lassen sie in mir das Bedürfnis aufkommen, mit dir schlafen zu wollen. Das einzige Gefühl, das in diesem Moment in mir hochkommt, ist ein Brechreiz.


Da fragt man sich doch, was sich Fred wohl dabei gedacht hat? Ganz einfach: Nichts! Fred denkt nicht, denn Fred ist ein sexistisches Arschloch, das Frauen* aufgrund ihres Äusseren beurteilt und sie in seinem Kopf zu meinungslosen Objekten seiner sexuellen Begierde macht. Er sieht den Sinn dafür, dass sich Frauen schminken, sich speziell kleiden oder generell existieren nur darin, dass sie Männern gefallen möchten und müssen. Dadurch spricht er ihnen jegliche Individualität und freie Entscheidungsgewalt ab. Fred denkt, dass ich Tattoos trage, weil ich die Aufmerksamkeit toll finde, die sie mir bringen. Weil ich gerne auf sie angesprochen werde und weil ich weiss, dass manche Männer drauf stehen und ich sie durch mein Auftreten und meine ganze Existenz aufreizen will. Dazu sind Frauen* ja schliesslich da, denkt sich Fred.

Sei nicht wie Fred, denn Fred ist scheisse.


Der Grund, weshalb ich Tattoos habe und weitere Tattoos machen lassen werde, bin ich und niemand anders. Weil ich es schön finde, weil ich finde, dass es gut aussieht und weil ich mich durch sie schön fühle. Sie geben mir das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl mit dem ich solchen Idioten wie Fred sagen kann, dass sie sich verpissen sollen. Es gibt noch tausende weitere Gründe, warum ich mir ein Tattoo stechen lasse. Um jemand anderem zu gefallen ist keiner davon.


Ich bin dafür, dass jeder seine Sexuallität und seine Fetische frei ausleben darf (solange man dabei keine Straftat begeht und alles einvernehmlich abläuft), aber macht das bitte mit jemanden, der sein Einverständnis dazu gibt. Der Fakt, dass Frauen mit Tattoos existieren und dich das geil macht, heisst noch lange nicht, dass du das Recht hast, sie darauf zu reduzieren, zu generalisieren und sie durch deine über sexualisierte Meinung über sie zu belästigen. Genauso wenig wie alle anderen äusseren Merkmale oder auch das, was eine Frau* sonst tut oder nicht tut, dir das Recht dazu gibt, sie auch nur in geringster Weise so zu behandeln, dass sie sich unwohl oder gar belästigt fühlt. Persönliche Freiheit hört da auf, wo die der Anderen beginnt. Und deine persönliche Freiheit rund um deine Sexualität und Fetische hört da auf, wo meine Freiheit mich im Ausgang mit meinen Freundinnen* wohl zu fühlen anfängt. Also behaltet eure anzüglichen Kommentare für euch. Und wenn ihr ein Kompliment machen wollt, dann lernt erst mal, was wirklich eines ist. Zum Glück gibt’s ja das Internet: https://www.wikihow.com/Give-a-Compliment


Viel Spass beim Lernen und darauf, dass euch nächstes Wochenende keine Freds begegnen mögen!

Stösschen.

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