Haiyti schreibt Tracks, so wie andere Autos knacken: Panik in der Stimme, Gelassenheit im Flow. Gibt es schon einen Namen für diesen Wunsch nach Macht und Dekadenz? Wie: Slow mit dem Luxuswagen am elenden Volk vorbeizurollen, Fensterscheiben runter, Shades hoch. Wie: Gang- und Designersigns, Tracks und Champagnerflaschen auf die Strasse schmettern. Wie: Keine Sorgen um Money und keine um das Leben, das eh gleich vorbei ist. Wie: Die eigene fiktive Persönlichkeit im Mittelpunkt des Universums zu wissen.
Was für eine Perversion. Das Sudhaus ist voll und Basel sagt ja.
Whoo Es ist schon Freitag
nenn mich Haiyti Mane
ich sitz im Maybach
Wouh, ich seh’ nur Neider
drippe im Designer,
wenn ich an euch vorbeifahr
Es ist allerdings erst Donnerstag, als Haiyti viel zu spät die Stage im Sudhaus betritt. Ein Mensch im roten Trainingsanzug, darunter ein Fischschuppenshirt: unsere Märchenerzählerin. Die Kunstfigur, die unsere geldgierigen Fantasien vorflowt: ein Leben aus Drinks aber ohne Inhalt, ein Leben für die Glam- und Drogenhölle, ein Leben ohne Moral. Wir wippen, grinden und springen. Die Gesichter in der Dunkelheit sind mal schön und gutmütig, mal in hässlicher Ekstase. Weil Ekstase erst in ihrer Hässlichkeit wirklich schön sein kann. Niemand trägt LV oder Gucci. Zumindest nicht als Statement. Keine Hustensaftjünglinge oder junge Fischerhutträger*innen. Dafür ein Klassentreffen linker Basler Kulturszene. Gut angezogen, rücksichtsvoll und queer.
Die Show ist keine Show, es ist ein Hip-Hop-Happening: Ein nerdiger DJ, weil man Nerds für gute Tracks braucht und Haiyti, die jeden Millimeter der Bühne abtanzt. Die ab und an aus dem Takt gerät und dafür Jubel erntet. Denn wenn sie erst einmal in der Rolle ist, dann sind wir im Film und die Leinwand ist der Dancefloor. Es ist Haiyti, die Skatjes im Publikum verteilt und eine klare Ansage unausgesprochen raushaut: „Ich bin hier, damit wir den bestmöglichen Abend haben, ich habe mich erfunden, damit ihr euch an den eigenen Abgründen freuen könnt.“ Vielleicht sind wir ihr auch egal, sie rappt nämlich auch: „Wenn ich expandier, dann wie Andy Warhol.“ Dabei denke ich bei ihr auch an Cindy Sherman. Kunst oder Entertainment, es ist an diesem Abend egal. Etwas muss aus ihr raus, wie jede Woche ein neues Video, ein neuer Track, ein neues Album: Sie performt das Rich -Sein. Reich ist sicher ihr Output.
Sprechen tut sie wenig auf der Bühne. Doch irgendwann fällt das Wort „Bern“: Kurze Verwirrung auf dem baslerischen Sudhaus-Floor. Nur Zürich wäre schlimmer gewesen. Bei ihrem Extremsport Party-Lifestyle wollen wir aber hoffen, dass die Künstlerin gar nicht mehr weiß, wo sie ist und das Publikum verzeiht auch gutmütig.
Haiyti rappt:
„5 Sterne Hotel, doch wär lieber vor der Haustür,
ich bin ein Star, holt mich raus hier“
Ein langhaariger Mann im Gamer-Look steht vor mir und spricht jedes Wort mit.
Am Ende der Show verzieht sie sich trotzdem eilig ins Hotel und verpasst den großen Kreis, der sich vor der Bühne gebildet hat. Die schönen Gesichter, die zur Boxenmusik weitertanzen, einfach weil es so wunderbar sinnlos ist. Im neuen Sudhaus darf der Boden klebrig werden, die Bar hört nie auf auszuschenken und in der Dunkelheit leben wir alle möglichen Märchen aus. Ist es verwerflich? Absolut.
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