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AutorenbildJuno Peter

Juckende Augen zum Advent


Illustration: Lena Studer

Regen prasselt auf die Kapuze meines dicken, wasser- und windfesten Wintermantels. Das diesjährige Geburtstagsgeschenk meiner Eltern– mein bisheriger Mantel war dem nassen Hamburger Winter nicht gewachsen. Es ist halb fünf, bereits dunkel draussen und ich bin auf dem Heimweg von der Hochschule. Bald sind Weihnachtsferien, doch bis ich wieder im ICE nach Basel sitze, dauert es noch ein bisschen.


Von der Bushaltestelle aus beobachte ich den Weihnachtsmarkt meines Viertels. Trotz des Regens ist er gut besucht. Es haben sich mehrere Schlangen vor den Glühwein- und Wurst-Ständen gebildet und Musik erklingt durch die Dunkelheit. Bei diesem Anblick werde ich unerwartet sentimental. Nicht wegen den schönen Lichtern oder den Weihnachtsliedern. Sondern wegen des penetranten Glühweingeruchs, der mit dem Wind zu mir herüberweht und Erinnerungen wachruft.


Im Dezember 2019 schrieb ich meine erste Kolumne. Es ging um Glühwein, meine Histaminintoleranz und meine Ablehnung gegenüber der Weihnachtszeit. Jetzt, während ich hier im Regen stehe, mit juckenden, durch Histamin gereizten Ekzem-Augen, denke ich an diese erste Kolumne zurück. Und muss dabei über mich selber lachen.


Ich war nie ein grosser Weihnachtsfan, doch in der Zeit seit dieser ersten Kolumne habe ich die Adventszeit auf eine andere Weise kennen und neu schätzen gelernt. Vielleicht liegt es daran, dass ich dieses Jahr zum ersten Mal seit Jahren einen Adventskalender geschenkt bekam. Vielleicht auch an den Traditionen von neuen Freund*innen, die ich in den letzten drei Jahren kennenlernte. Zum Beispiel die dänische Adventskerze, die mir Tamara gab und die ich nun jeden Tag mit Begeisterung eine Zahl runter brennen lasse, bis auch die 24 im Wachs versinkt.


Oder es liegt an meiner kleinen Nichte, durch die die Weihnachtszeit eine ganz neue Bedeutung bekommt. Jedenfalls habe ich eine neue Freude am Advent entdeckt, die fast schon kindlich ist.


Was sich jedoch nicht verändert, sind meine Histaminintoleranz und mein Hass auf Glühwein. Schon nur beim Gedanken daran wird mir übel und meine Augen beginnen erneut zu jucken. Ein Hoch auf Tee mit Schnaps! Auch bin ich immer noch mit der Stürzung des Patriarchats beschäftigt. Das dauert doch alles länger als erwartet. Manche Dinge bleiben wohl doch beim Alten. Mit diesem Gedanken steige ich aus dem Regen in den Bus ein.


Einen schönen dritten Advent.


Bisous,


Juno




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