Illustration: Pia Zibulski
In der «Mitte» gibt’s auf den Toiletten neuerdings Seife mit einem ekelhaft beissenden Zitronengeruch. Wieso mir das aufgefallen ist? Erstens habe ich während der letzten Woche so oft wie nie zuvor meine Hände gewaschen, wenn auch nur um danach wieder auf dem verdreckten Handybildschirm rumzutippen. Zweitens hielt sich im «Unternehmen Mitte» die zurzeit unverkennbare Mischung aus Geisterstadt-Stimmung und Fasnachts-Frust in Grenzen. So liess sich diese Ferienwoche rumbringen.
Ich wette, dass neun von zehn jungen Basler*innen die «Fasnachtswoche» damit verbrachten, auf denkmal.org ihren Ausgang zu planen, um dann erst auf der Facebookpage oder Website der Veranstaltung hinterrücks von ihrer Absage zu erfahren. Anscheinend liessen sich aber schnell Alternativen finden – noch nie habe ich so viele grölende Leute durch die Stadt stolpern sehen wie während dieser Nicht-Fasnacht. Ja, ich weiss. Nichts übertrifft da die EM 2008, als niederländische Fussballfans die Stadt in Beschlag nahmen. Aber da war ich mit Playmobil beschäftigt. Fussball wird ja eh nicht mehr gespielt, für das muss man jetzt nach Freiburg.
Schon krass, wie zurzeit ein Thema alles andere verdrängt. Es gäbe genügend Dinge zu besprechen, die gerade vom Virus überschattet und vergessen werden. Stichwort griechische Grenze oder auch erwerbslose Kulturschaffende. Dasselbe geschieht in unserem Alltag: Inzwischen verfolgt mich das klickende Geräusch der sich öffnenden Desinfektionsmittel-Fläschchen bis in den Schlaf. Ich fühle mich schlecht, wenn ich daran denke, früher auf dem Handy Plague Inc. gespielt zu haben. Ein ziemlich abgefucktes Game, bei dem du – rate mal – ein Virus spielst, das das Ziel hat, die gesamte Menschheit zu vernichten. Schräg vor allem, dass ich mich angesichts der heutigen Situation eher an dieses Spiel erinnere als an das, was ich laut Leitbild meiner Schule «dank der breiten Allgemeinbildung» über Viren wissen müsste.
Humor hilft in vielen Situationen, an schlechten Witzen und blöden Sprüchen mangelt es auch ohne Fasnacht nicht. Aber sorry: Gespräche à la «Passt auf, mit wem ihr heute Abend knutscht.» «Ach du, keine Angst. Wir desinfizieren mit Alkohol.» kann ich echt nicht mehr hören. Umso beschämender, dass ich laut loslachte, als am Binninger Kronenplatz eine Gruppe Kiddies mit einem Sixpack eines bestimmten mexikanischen Leichtbiers an mir vorbeistolperte.
Der humoristische Höhepunkt der letzten Woche schien lange ganz eindeutig der vielgeteilte Clip zu sein, in dem ein Fasnächtler pfeifend und kostümiert den Rhein hinuntertreibt. «De Bach ab» – genau wie die Fasnacht. Am Freitag legte der Kanton Basel-Stadt mit seiner
#Seifenboss-Hygiene-Kampagne nochmal einen obendrauf. Ich frage mich schon, wieso der Kanton für sein Insta-Game einen Jugendslang imaginiert, der höchstens in Filmen wie «Fack Ju Göhte» Verwendung findet. Interessant ist, wie diese Anbiederung an die Jugend von den Jugendlichen belächelt, der Hashtag dann aber trotzdem – ironisch natürlich – geteilt wird. Da hat die Werbeagentur, die in ihrer Unbedarftheit wohl kaum eine jugendliche Stimme eingeholt hat, gerade nochmal Glück gehabt.
Aber wer weiss schon, was in der kommenden Woche passiert. Insgeheim hoffe ich auf einen offiziellen TikTok-Account mit Händewasch-Clips aus dem Rathausklo.
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