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AutorenbildDominik Asche

«Es kamen schon Personen auf mich zu und haben mir erzählt, dass sie "Niemert wöt das" machen»


Foto: Dominik Asche

Bestimmt kennst du ihn. Wenn nicht persönlich, dann von deiner Strasse, die du jeden Tag lang läufst. Da klebt er auf dieser einen Laterne. Vielleicht klebt er aber sogar auf deinem Laptop. Vielleicht kennst du ihn aus Basel, vielleicht aber auch aus Mailand, aus Berlin oder sogar Ungarn. «Niemer». So nennt er sich. Er, der schon viele Wände, Ampeln, Staubsauger oder deinen Laptop geschmückt hat. Direkt oder indirekt. «Niemert wöt das», Schwarz auf Weiss. Eine politische Botschaft.


Er ist 35 Jahre alt und arbeitet als Informatiker. Teilzeit, damit er für seine eigenen Projekte genügend Zeit hat. Eigene Projekte in diesem Sinne heisst: Stickers, Auflegen und Events organisieren.

Davor hat er an der HGK studiert, in der Zeit kam ihm auch folgende Idee...

Niemer ist sein Pseudonym, um anonym zu bleiben. Das Pseudonym stammt aus dem berüchtigten Satz “Niemert wöt das”. Zum ersten Mal gelesen hat er diesen Satz vor ca. 5 Jahren, aufgesprayt beim Hirscheneck in Basel. Er hat aus dem Fenster geschaut und war wie gefesselt. Verschiedenste Gedanken schwirrten Niemer damals im Kopf herum.


“Ich habe mir gerade mega viele Gedanken über die Gesellschaft, über die Arbeitswelt und den Kapitalismus gemacht”


Foto: Dominik Asche

Niemer stört sich an Dingen in der Gesellschaft, bei denen alle mitmachen. “Niemand will absichtlich das Klima weiter erwärmen, trotzdem fahren alle weiterhin Auto oder fliegen in den Urlaub”. 

Erst ein Jahr später kam Niemer auf die Idee einen Sticker aus dem Satz zu gestalten. So kann Niemer, aber auch alle, die einen solchen Sticker besitzen, sagen und zeigen was man nicht will. Niemer ist ein Punk. Punkig aber nicht nur mit politischen Botschaften die unter die Leute gemischt werden, sondern auch musikalisch. 

Weniger die Musik, vielmehr der Ort macht den Punk aus. Als DJ “Acid Waterfalls” legt Niemer immer wieder in Lokalen der Stadt unter der Erdoberfläche auf. Sei es im Hirscheneck, im Wurm oder früher in der schwarzen Erle. Hardcore und Breakcore. Auch als 35 Jähriger raved er immer wieder gerne zu dieser, für viele sehr abschreckende, Musik. Die Musik beginnt bei 150 BPM und geht oft auch mal über die 250 BPM Grenze hinaus. (Im Vgl.: Ein Popsong oder “ein gängiger Techno-Track” hat meist ca. 128 BPM). Anfang 2000er Jahre waren es Rechte, die mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln “hakken” gingen. Mittlerweile teilt sich die Szene in «Stadionmusik» (Hardstylebrothers, Angerfist und ähnliches) und «Underground». Niemer organisiert selbst Hardcorepartys in der Undergroundszene. “Auch wenn nur 60 Personen kommen, es ist ein treues Publikum, das sogar aus Zürich an die Parties anreist”.


“Die Musik ist meditativ. Ich kann auch einfach mal da stehen, dem Rauch zu sehen und geniesse was um mich herum passiert”


Viele aus der elektronischen Rave-Musik-Szene haben eine Zuneigung zu Drogen (nebst Alkohol). Niemer jedoch trinkt seit 5 Jahren keinen Alkohol, nimmt keine Drogen und lebt seit 8 Jahren vegan. Eine Person voller Kontraste. Niemer hat keine Ambitionen etwas zu erreichen mit seinen Projekten. "Wenn ich damit Leute erreiche und vielleicht zum Nachdenken anrege oder irritiere, umso besser."

Dass Menschen “Niemert wöt das” Sticker auf SVP-Plakate kleben, freut ihn. Dass es aber auch umgekehrt sein könnte, ist Niemer völlig bewusst. Auch kopieren kann man die Sticker, ist ja nur eine Schriftart in Photoshop. 


«Es kamen schon Personen auf mich zu und haben mir erzählt, dass sie "Niemert wöt das" machen»


Kopieren darf man. Niemer findet es auch cool wenn es sich unkontrollierbar verbreitet oder sogar ein wenig verändert. «Es würde mich allerdings nerven, wenn man die Sticker kopiert und dann verkauft».

«Niemert wöt das»-Sticker kann man sich einfach bestellen, in dem man Niemer eine Direktnachricht auf Instagram schreibt oder unter folgendem Link. Niemer ist nicht nur Stickeraktivist sondern unterdessen auch als «Slap me baby» Vermittler. In unregelmässigen Abständen organisiert er mit Stickerkolleg*innen Stickerconventions, an denen es Workshops, Vorträge und Ausstellungen gibt. Im Rahmen dessen hat er dieses Jahr auch schon zwei Zines die sich Essays, Interviews und Bildbeiträgen der Stickerkultur widmen herausgegeben.


Foto: Dominik Asche

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