Die Seifibosch-Fahnen wehen nicht mehr über der Mittleren Brücke – Gott, oder BAG, sei Dank. Vieles scheint wieder einigermassen normal. Dass das dieses Jahr mit den Ferien trotzdem nicht so wird wie sonst, ist aber auch klar. Um nicht allzu viel Hoffnung aufkommen zu lassen, habe ich mich die letzten Wochen präventiv vor den Laptop verkrochen. Wegen der Netflix-Serie «The Crown», die den Ereignissen um die britischen Royals nach Königin Elizabeths Thronbesteigung folgt, ist das aber glorios gescheitert. Wortwörtlich. Nicht dass ich mir eine Jugend in den Fünfzigerjahren wünschen würde. Als kleiner Prinz mit massgeschneidertem Mäntelchen im Buckingham Palace eingesperrt zu werden und nur Diener in bescheuerten roten Fracks als Spielkumpanen zu haben, muss ja todlangweilig sein.
Doch nach Wochen zu Hause hat dieser ganze glamouröse Pomp seinen Reiz, zumindest so wie er in der Netflix-Serie dargestellt wird. «The Crown» funktioniert als Lockdown-Beschäftigung deshalb so gut, weil dort alles erfüllt wird, was die letzten Monate nicht möglich war. In gefühlt jeder zweiten Einstellung drängen sich Menschenmassen auf dem Bildschirm, die der Queen zujubeln. Anfangs zuckte ich noch zusammen, die Bilder erinnern doch gar an die Feiernden in der «Steine». Dem wich aber schnell Freude – Vorfreude eher – denn auch an Champagner wird in der Serie nicht gespart und so wurde das erste Bier nach dem Lockdown im KLARA zum royalen Empfang.
Illustration: Hanna Girard
Bevor ich mit meinem von royalem Pomp komplett verdrehten Kopf abzuheben drohte – dass ich ernsthaft die britische Thronfolge googelte, war mir Warnung genug – kümmerte ich mich um einen Ausgleich. Die Royals sind ja schon eher ein Grosi-Thema. No offence. Ich bin gar nicht in der Position zu judgen. Nicht nachdem ich die darauffolgenden Tage mit Trash-TV verbrachte, mit «Too Hot to Handle» sogar. Von der einen Oberflächlichkeit zur nächsten sozusagen.
Nach je einer Staffel «The Crown» und «Too Hot to Handle» hatte ich dann genug. Ich zwang mich nach draussen. Zurück in meine Bubble, zu der «Generation Topfpflänzli» besser passt als «Generation Easyjet». Ich meine die, die statt Netflix zu schauen, vor der wieder geöffneten Stadtbibliothek anstehen, während sogar die Eltern auf E-Reader umgestiegen sind. Die, die im Park Slacklines spannen, aber davor erst dem Baum ein Schaumstoff-Mäntelchen umlegen, um ja nicht die Rinde zu beschädigen.
Nach meinen abgebrochenen Netflix-Ferien kehrte ich wieder in meine Bubble zurück und verkroch mich gleich in ihr. Was ich nicht erwartet hatte: Als ich erstmals wieder vor der «Mitte» Jugendlichen von der Sorte «ich sitze den ganzen Tag mit meinem Notizbuch hier und sehe voll kreativ aus» begegnete, merkte ich, dass ich sogar die vermisst hatte.
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