Vom 24.08.-04.09.2022 läuft das Theater Festival Basel. Stav Szir & Claire Flury berichtet von gesehenen Stücken und neugewonnenen Fragen.
Foto Credit: Bas De Brouwer
Aus MTV-Tagen sind sie uns wohl allen bekannt: Women of Colour, die in Musikvideos leicht bekleidet zu Rapmusik tanzen. Als hypersexualisierte Deko im Hintergrund bekannter Rapper prägten die sogenannten „Video Vixens“ die Ästhetik der HipHop-Kultur Ende der 90er-Jahre. Genau dieser klischeehaften Darstellung Schwarzer Frauenkörper nimmt sich die niederländische Choreografin und Tänzerin Cherish Menzo in ihrer Tanzperformance «Jezebel» an.
Das Stück beginnt langsam: Auf einem Lowrider-Fahrrad in Pelzmantel gehüllt und mit krallenartigen Fingernägeln bestückt, erschliesst sich Jezebel in Slow Motion den Bühnenraum. Fast mehr Tier als Mensch scheint sie mit ihren Klauen zu kämpfen – gegen die Umwelt, aber auch gegen sich selbst. Stück für Stück fallen Nägel und Mantel. Jezebel trägt nun ein hautenges, knallpinkes Latex-Kostüm. Das Klimpern ihrer schweren Goldkette folgt dem Takt der basslastigen „Chopped and Screwed“-Musik. Das Tempo erhöht sich stetig. Immer schneller und erotischer werden ihre Bewegungen. Zum Höhepunkt scheint es, als twerke Jezebel um ihr Leben. Nur um kurz darauf diesen übersexualisierten Körper in einem übergrossen aufblasbaren Anzug zu verbergen. Mit gepitchter Stimme rappt Jezebel schliesslich wortwörtlich “Gibberish“ und zeigt so eine Persiflage auf die vielen inhaltsleeren Hiphop-Songs.
Fake Nails, Glitzer und Grillz: Das ist, was von Jezebel auf der Bühne zurückbleibt.
Von Objekt und Projektion sexueller Männerfantasien bis zum emanzipierten Aneignen und Zurschaustellen der eigenen Sexualität vereint sie multiple Identitäten und bricht so mit dem Stereotyp einer Video Vixen. Mal mit gepitchter Stimme, mal mit energetischen Twerkbewegungen oder als exzentrischer Pimp bewegt sie sich im Spannungsfeld zwischen misogyner HipHop-Kultur und emanzipierter Selbstermächtigung.
Jezebel hält sich nicht nur im Hintergrund, sondern vereinnahmt die ganze Bühne!
Foto Credit: Bas De Brouwer
Cherish Menzo konfrontiert die Zuschauenden sowohl auf inhaltlicher als auch auf visueller Ebene und schafft es, dass mensch eine Stunde gebannt jede Bewegung Jezebels verfolgt. Jezebel fasziniert, bricht Tabus und regt zum Nachdenken an. Immer auf dem schmalen Pfad zwischen Karikatur und Selbstermächtigung wandelnd, tastet Menzo gekonnt die Vorurteile gegenüber Women of Colour ab. So zeigt sie alle Komplexitäten, die innerhalb eines Schwarzen Frauenkörpers existieren, auf und dekonstruiert Klischees. Ob ihr dies vollumfänglich gelingt oder Jezebel teilweise doch Vorurteile bestärkt, bleibt wohl dem individuellen Empfinden des Publikums überlassen.
Nicht zuletzt macht die bemerkenswerte Bühnenpräsenz Menzos die Tanzperformance „Jezebel“ grossartig.
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