In den Semesterferien Dienstpflicht absolvieren – das klingt schlimmer, als es ist. Erstens, weil ich als «Dienst» nur meine Zivi-Einsätze kenne: Zwischen dem Militär und mir hat es nie wirklich gefunkt. Aber das ist eine andere Geschichte, die bereits in dieser Folge «Drink–In» erzählt wurde. Zweitens zwingt mich nichts so sehr aus der eigenen Bubble heraus und in einen anderen Alltag hinein wie diese Einsätze. Ein Monat Abwechslung im Jahr – ob gewollt oder nicht.
Viele denken sich wohl vor ihren Einsätzen, dass die Zivi-Zeit eine einmalige Chance ist, Neues kennenzulernen. Oder auch nur vor dem ersten Einsatz: Wenn Vorfreude und Aufregung nur im ersten Jahr aufkommen, kann ich das ganz gut nachvollziehen. Die verschiedenen Einsatzgebiete sind vielfältig, doch schlussendlich ist es nur ein kleiner Unterschied, ob du von Kita-Kindern, Altersheimbewohner*innen oder Gärtner*innen, die das Neophyten-Ausrupfen anleiten, herumkommandiert wirst.
Illustration: Lena Studer
Aber was ist denn «das Neue», das es beim Zivi-Einsatz zu entdecken gibt? Das frühe Aufstehen ist gerade in den Semesterferien gewöhnungsbedürftig, aber nur wenig bereichernd. Die Arbeit selbst vielleicht schon eher, aber auch nicht immer. Während meinem Einsatz für ein Altersheim hörte ich sehr oft: «Sie wissen das nicht? Stimmt, Sie sind ja nur der Zivi». Sowohl von Bewohner*innen betreffend der Anzahl Kaffeerähmchen und Assugrin-Tablettchen, die in ihre Tasse gehören, als auch von Ärzt*innen, wenn ich jemanden in eine Praxis begleitete.
Neu sind aber Kontakte mit Arbeitskolleg*innen, die im Studi-Alltag nicht entstehen würden. Das hat hauptsächlich praktische Gründe: Personen, die freitags Frühschicht haben, trifft man Donnerstagabend eher weniger im Studiausgang. Aber deswegen auf einen grundsätzlichen Unterschied zu schliessen zwischen «uns» Studierenden und jenen, die schon seit drei Jahren im Beruf sind, während «wir» an einer ersten kleinen Seminararbeit hocken, wäre falsch. Bei meinem Einsatz während diesen Semesterferien bin ich da voll reingelaufen. Richtig peinlich.
Was ist passiert? Ich startete mit der Erwartung in den Einsatz, dass die Mitarbeiter*innen in meinem Zivi-Betrieb anders eingestellt sind als die Leute in meiner Uni-Bubble. Anfangs habe ich mich fast nicht getraut zu sagen, dass ich geimpft bin. Nur um dann zu bemerken, wie das einzige Problem, das die Mitarbeiter*innen mit der Impfung haben, die immer noch tiefe Impfquote ist.
Ich dachte, wir würden bei der Arbeit nie über Politik und aktuelles Weltgeschehen sprechen: Nur keine Debatte anstossen mit jemandem, der eine andere Meinung vertritt. Aber Debatten ergaben sich von allein und meistens waren wir uns auch einig. Der Anstoss dazu, beispielsweise über Afghanistan zu sprechen, kam aus der 20 Minuten, die offen auf dem Tisch lag, statt aus einer Awareness-Story auf Instagram. Aber darauf kommt es wirklich nicht an.
Der einzige wirkliche Unterschied, den ich bei meinem Einsatz festgestellt habe, war die Selbstverständlichkeit in der Küche beim Fleisch- und Fischkonsum. Während bei mir im Umfeld gefühlt eher Fleisch die Ausnahme ist, musste ich als Vegi zu Beginn jeden Morgen nochmal beim Küchenteam anmelden, dass ich kein Fleisch und Fisch esse. Mit der Zeit wurde ich gefragt, ob Ei oder Rahm in der Sosse in Ordnung sei. Ja, denn ich esse wirklich alles ausser Fleisch und Fisch. Am Tag darauf musste ich trotzdem nochmal bestätigen, dass Feta als Vegetarier ganz okay ist. Da schien es mir, als wären sie fast enttäuscht, dass ich nicht nur vom Baum gefallene Früchte und überfahrene Tiere esse oder so ähnlich. Vielleicht war das aber auch nur Rücksicht gegenüber meinen Essgewohnheiten.
Während dem Einsatz fand nach Feierabend das Faber-Konzert in der Kaserne statt. Ich war dort mit vielen Menschen aus der eigenen Bubble, die an diesem Abend neben der Musik auch sich selbst ein bisschen zelebrierten. In diesem Moment war das aber schön als «Abwechslung von der Abwechslung». Am nächsten Morgen «im Dienst» wartete dann wieder anderes, das doch nicht so anders war, wie erwartet.
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